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Werkbesprechungen

 

 Anton Bruckner
1824 - 1896

Te Deum

Das in der ersten Hälfte der 1880er Jahre komponierte Te Deum ist eines der bekanntesten Werke des aus Oberösterreich stammenden Komponisten Anton Bruckner und eines der wenigen seiner Vokalkompositionen, die er ohne Auftrag und ohne eine konkrete Aussicht auf eine Aufführung schrieb. Bruckner hat es, seinen Freunden und Schülern zufolge, rein aus Dankbarkeit gegen Gott komponiert und wahrscheinlich auch deshalb, weil er seine hohen musikästhetischen Anschauungen bezüglich der Vertonung dieses Textes noch nicht verwirklicht sah. So meinte er nach einer Aufführung des Te Deums von Héctor Berlioz: Und kirchli‘ is do nöt!

Zur Entstehungsgeschichte des Werkes gibt es eine vergnügliche Anekdote, die Bruckners natürliches, etwas naives Wesen gut verdeutlicht: So manche seiner Eingebungen empfing Bruckner im Schlafe. Er erhob sich dann mitten in der Nacht, um geträumte musikalische Gedanken sofort aufzuzeichnen oder gleich am Klavier auszuarbeiten. Der Pfarrer von Steyr, sein ehrlicher Bewunderer und Gönner, schlug deswegen mehrmals Krach, denn Bruckner brachte durch sein nächtliches Klavierspiel die Leute um die wohlverdiente Nachtruhe. Die Formen solcher Schöpfungsträume waren mannigfach. Einmal träumte ihm, der ehemalige Linzer Kapellmeister Dorn spiele auf dem Klavier ein (später nicht verwertetes) Thema vor. Das erste Thema der VII. Symphonie geigte ihm ein Bratschist im Träume. Und eine köstliche Geschichte knüpfte sich an die Entstehung des Tedeum. Bei einer Probe für die im Jahre 1885 in Wien vorbereitete Aufführung stieg der Dirigent Hans Richter mit Tränen der Begeisterung in den Augen vom Pulte, umarmte Bruckner und rief aus: ‚Das hätte außer Ihnen nur noch Beethoven schreiben können!‘ Darauf erwiderte Bruckner treuherzig: ‚Und sehn S‘, Herr Hofkapellmeister, grad das is eigentli gar net von mir!‘ Auf Richters fragendes Erstaunen fuhr Bruckner eifrig fort: ‚Ja, das is net von mir, sondern vom [Komponisten Louis] Spohr! Und wissen S‘, wie das kemma is? Das war aso! I lieg in der Nacht im Bett und träum, der Spohr kommt herein und sagt zu mir: ‚Bruckner, steh auf und schreib’s auf!‘ Da bin i aufgwacht und hab’s wirkli aufgschriebn. Jetzt sagen S‘, is des von mir oder vom Spohr?


Der Text des Te Deum, der lange Zeit dem heiligen Ambrosius von Mailand (340 – 397) zugeschrieben wurde, wird im römischen Brevier an Sonn- und Festtagen außerhalb der Fasten- und Adventzeit gesungen und ist schon seit etwa 530 n. Chr. in Gebrauch. Der Inhalt gliedert sich in drei Teile: Auf eine Lobpreisung Gottes folgen Fürbitten, worauf mehrere Psalmverse zitiert werden, die in der Bitte In te, Domine, speravi, non confundar in aeternum [Auf Dich, Herr, habe ich meine Hoffnung gesetzt, in Ewigkeit werde ich nicht zuschanden] gipfeln.

Bruckner gliedert das Te Deum in fünf lediglich durch kurze Absätze getrennte Abschnitte. Der erste Teil setzt mit einem kraftvollen Chor-Unisono an, die von jener charakteristischen, aus Quinten und Oktaven bestehenden Figur begleitet wird, die die Klammer für das gesamte Werk bildet. Die eingeschobene Lobpreisung der Engel Tibi omnes Angeli stellt mit den hervorgehobenen, symbolischen hohen Stimmen einen starken Kontrast dar. Das Te ergo gestaltet Bruckner als eindringliche, ausdrucksvolle Bitte, während das darauffolgende Aeterna fac wiederum als Chor-Unisono im Fortissimo erklingt. Im Salvum fac greift der Komponist auf die Melodie des Te ergo zurück. Auf das Soloquartett In te Domine schließt sich eine freie Fuge an, die in ein abschließendes Chor-Unisono in dreifachem Forte mündet, während die typische Quint-Oktav-Begleitfigur von Bläserfanfaren übernommen wird.

 

Mag. Michael Johann Aschauer